100 Jahre Segelflug auf dem Dörnberg

Texte as dem Verein

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Prolog

Es war für mich eine besondere Freude im Frühjahr 2024 mit den Pionieren und Wegbereitern zu sprechen, die eine lange Zeit in der Geschichte des Dörnbergs mit dabei waren; die Senioren- und Ehrenmitglieder der „Flugsportvereinigung Kassel-Zierenberg e.V.“. Manche haben über 60 Jahre Segelflug Erfahrung hinter sich, einige waren seit den späten 50er Jahren Flieger auf dem Dörnberg. In ihrer Zeit haben sie viele Epochen des Segelflugs und der Fliegerei auf dem Dörnberg miterlebt; von dem Neubeginn des Segelflugs in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg, über die Einführung der ersten Generation von Segelflugzeugen in Kunststoffbauweise, und das Fliegen im Kalten Krieg in der Nähe der innerdeutschen Grenze.
Alle sind bemerkenswerte Persönlichkeiten, und leider konnte ich nicht mit allen reden.
Dieser Text dient der Erinnerung an alle Mitglieder, die vor dem Jubiläum verstarben.

- Erik Stevens

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Die alten Zeiten

Der Dörnberg war der Heimatflugplatz eines der bekanntesten Segelflieger der Vorkriegszeit: Max Kegel, erzielte 1926, von der Wasserkuppe, die erste große Flugdistanz eines Segelfliegers von über 50km. Dieser Weltrekord gelang ihm fast aus Zufall, indem er vor den starken Aufwinden eines Gewitters in der Luft bleiben konnte. Sein Flug gab ihm den Spitznamen: „Gewitter-Max“.
Damals war dies eine Sensation, da die Techniken in der Thermik zu fliegen, wie sie heute gang und gäbe sind, damals noch nicht bekannt waren.
Max Kegel wohnte viele Jahre auf dem Dörnberg am Friedrichstein.

Schon vor dem zweiten Weltkrieg waren viele Vorfahren unserer heutigen Mitglieder auf dem Dörnberg Segelflieger. Wie fast alle Segelflugplätze in Deutschland vor dem Krieg, wurde auch die Flugschule auf dem Dörnberg vom „Nationalsozialistischen Fliegerkorps“ der Nazis übernommen, um Jugendliche im Segelflug als Nachwuchs für die Luftwaffe zu trainieren.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa haben die Alliierten alle Arten von Flugbetreibung und Entwicklung in Deutschland verboten und damit natürlich auch den Segelflug. Alles, was nach „Flugzeug“ aussah, sollte von den Alliierten Soldaten zerstört werden.
Ein unbeschädigtes Segelflugzeug wurde auf Fahrrädern nach Kassel transportiert und versteckt. Noch während des Flugverbots suchte eine Gruppe der ehemaligen Fliegergruppe nach Möglichkeiten, den Flugbetrieb schnell und möglichst billig wieder in Gang zu setzen.

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Im Juni 1951 wurde der Segelflug in Deutschland wieder erlaubt und so begann noch im selben Jahr der Bau des ersten neuen Segelflugzeugs für Betrieb auf dem Dörnberg - eine SG-38 getauft „Cassel“. Nach 7 Jahren Flugverbot wurde am 6. April 1952 wieder ein Segelflugstart auf dem Dörnberg, von den Helfensteinen per Gummiseil, durchgeführt. Noch in der Woche vor Ostern erfolgten 100 Starts und die erste Winde des Vereins wurde in Betrieb genommen.

Die erste Vereinsflotte nach dem Krieg bestand aus einer SG-38, einem Doppelraab (der erste Schulungs-Doppelsitzer) und einem Spatz (was damals das Hochleistungssegelflugzeug seiner Zeit war).
In diesen Zeiten wurde der Flugbetrieb fast nur von Muskelkraft betrieben: Per Hand wurden die Flugzeuge auf das Gelände geschoben, die Winde auf einem Anhänger zur Startstelle gezogen, und beim Gummiseilstart das Flugzeug mit einer Mannschaft aus min. 14 Personen in die Luft „katapultiert“. Ein großer Flugbetriebstag zu der Zeit war wie ein Besuch im Fitnessstudio heute.

Um diese Zeit wurden viele unserer heutigen Senioren und Ehrenmitglieder geboren oder fingen bereits mit dem Segelflug auf dem Dörnberg an.

Erst in den frühen 50er Jahren wurde der Flugbetrieb durch Fahrzeuge am Boden unterstützt, vor allem zum Ausziehen der Seile von der Winde, überwiegend war es aber noch Muskelarbeit. Zur Erweiterung der Flugzeugflotte wurden neue Segelflugzeuge aus dem Werk von Alexander-Schleicher in Poppenhausen an der Wasserkuppe bestellt: Zum Doppelraab kamen zwei Ka8 und eine Ka7 hinzu, gefolgt von einer Ka6. Die erste Winde wurde zur Vereinfachung des Transports, durch das Gelände, auf einen Opel-„Blitz“ montiert. 1952 wurde dann eine neue Winde mit mehr Schleppleistung auf einen MAN-Lkw montiert.
1953 wurde der 1.000 Start des Doppelraabs durchgeführt. Bis in die 70er Jahre wurden jährlich zwischen 1500 und 2500 Starts durchgeführt. Manche bezeichneten den Dörnberg als das „Nordhessische Mekka der Segelflieger“.

Interessanterweise waren damals im Vergleich zu heute viel weniger Wanderer und Besucher auf dem Dörnberg. Die Kühe waren natürlich von Anbeginn dabei.

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Um das Fliegerlagers für seine wachsende Flugzeugflotte zu vergrößern, wurde 1964 die neuen Flugzeughalle neben den Helfensteinen fertig gestellt.
1968 wurde die erste von zwei ASK13 auf dem Dörnberg getauft; sie übernahmen einen großen Teil der Segelflugschulung im Verein.

Mit dem Beginn der 70er Jahre brach die Zeit der Kunststoffsegelflugzeuge an. Die GFK-Bauweise (Glasfaser verstärkter Kunststoff), versprach viel leistungsstärkere Segelflugzeuge, als die frühere Holz/Stahlrohr-Mischbauweise, hervorzubringen.
1971 kamen zwei ASW15 vom Werk Alexander-Schleicher auf den Dörnberg. Mit ihnen zu fliegen war eine Ehre, die nur den erfahrensten Segelfliegern des Vereins zu teil wurde. Ein paar Jahre später kamen von Rolladen-Schneider und von Schempp-Hirth zwei moderne Kunststoffsegelflugzeuge vom Typ LS1 bzw.Standard-Cirrus.

Die 1970er Jahre waren eine wahre „Blütezeit“ des Vereins. Große Streckenflüge und hohe Startzahlen waren die Normalität. Das vermutliche Rekordjahr 1976 schaffte mit über 6500 Starts und 2500 Flugstunden fast 40.000 geflogene Streckenkilometer! Der Streckenrekord vom Dörnberg hatte schon längst die 600km Hürde gebrochen.
So kann man diese Zeit die „Goldenen-70er“ des Dörnbergs nennen!
Die Aktivität des Vereins war so groß wie nie zuvor. Alle Unterkünfte im Fliegerlager waren von Mitgliedern belegt, die Familien verbrachten zusammen ihre Zeit auf dem Dörnberg mit Mann, Frau und Kindern. Vor allem an den Pfingst-Wochenenden und bei den Feiern zum An- und Abfliegen war es im Fliegerlager rappelvoll.

In dieser Zeit entstanden viele der wildesten und abenteuerlichsten Geschichten im Verein.
Damals war das Überlandfliegen eine ganz andere Nummer als heute: Keine speziellen Wetterberichte, Navigation nur mit Kompass und Flugkarte und damals eine Außenlandung zu absolvieren, war eine ganz andere Geschichte als heute: Damals gab es keine Mobiltelefone. Nach einer Landung musste man zu Fuß oft bis zur nächsten Siedlung oder zum nächsten Bauernhof laufen, um am Heimatflugplatz anzurufen, um eine Rückhohlmannschaft anzufordern, auf die erst mal gewartet werden musste. Und dann, wenn der Flieger von der Außenlandung abgeholt war, musste der Pilot sich großzügig bei seiner Rückhohlmannschaft bedanken! Dies wurde oft mit einer Einladung für ein großes Essen in einer Gaststätte erwiesen. Wenn man weit weg gelandet war, konnte es bis zum nächsten Morgen dauern, bis man mit dem Flieger im Anhänger zurück gefahren war.

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Man darf auch nicht vergessen, dass in all dieser Zeit nur 40km Richtung Osten die innerdeutsche Grenze verlief. Militärische Flüge in der Umgebung waren keine Seltenheit. Nach manchen Erzählungen kam es schon vor, dass so ein Nato-Kampfflieger knapp an einem vorbeiflog, oder über den Flugplatz donnerte.

Der Tag der Offenen Tür zum 50-jährigen Jubiläum des Segelfluggeländes (1974) sah die Helfensteine voll von Besuchern und Zuschauern. Am Endes dieses Jahres wurde die Nutzung des Doppelraabs nach 21 Betriebsjahren und 28.000 Starts eingestellt.

1981 wurde nach 3 Jahren Bauzeit die neue (heutige) Winde auf dem Dörnberg eingeweiht. Mit noch höherer Leistung und Drehmoment eines Mercedes Diesel-Motors, konnten die neuesten schwereren Segelflugzeuge geschleppt werden. Es ist die dritte Winden-Generation auf dem Dörnberg.
Der Verein hatte zwei neue ASK21 von Alexander-Schleicher bestellt. Sie übernahmen 1980 die Segelflugausbildung von ihrem Vorgänger, der ASK13.
Ebenfalls wurde an das Gebäude der Alten Flugzeughalle die neue Werkstatt angebaut. Nicht lange nach Erscheinen der ASK21 wurden LS1, ASW19 und Standard-Cirrus durch zwei LS4 als Hochleistungsflugzeuge abgelöst.

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Anfang 2000 wurden zwei Hochleistungsdoppelsitzer vom Muster DuoDiscus aus dem Werk Schempp-Hirth bestellt. 2004 wurde die erste ASW28, jetzt im Besitz der auf dem Dörnberg fliegenden Burschenschaft Germania in Darmstadt, gekauft.

Auf dem Flugplatz selbst gab es auch ein paar Änderungen:
Bis 2007 befand sich die Startstelle Süd-West und ihre Landebahn ca. 200m südlicher von ihrer heutigen Position. Die damalige Schleppstrecke ermöglichte nur geringe Schlepphöhen, daher begannen Gespräche mit dem Regierungspräsidium die Startstelle neu zu verlegen. Ein paar Jahre wurden verschiedene Stellen ausprobiert und auch angebaut, um eine Lage für optimale Starteffizienz zu finden. Nach mehreren Variationen wurde 2010 die neue Süd-West Startstelle und Landebahn auf ihre heutige Position verlegt. Die neue Süd-West Startstelle bietet eine Schleppstrecke mit bis zu 970m Länge. Im Durchschnitt ist Süd-West die am meisten genutzte Startstelle auf dem Dörnberg.

Auch wurde mit dem Einzug neuer technischer Entwicklungen die Art der Kommunikation an den Startstellen in das 21. Jahrhundert gebracht.
Heutzutage werden die Startkommandos vom Startleiter per Mobiltelefon an die Winde kommuniziert. Früher erfolgte dies über Kabeltelefone, die durch unter dem Gelände gelegte Leitungen verbunden waren. Über die Jahre veraltete das System und wurde anfällig für Beschädigungen und Störungen. Nach einigen Jahren, indem verschiedene Systeme ausgetestet wurden, wurde 2008 das Kabeltelefon-System endgültig eingestellt.

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Epilog

Ein großes Dankeschön an alle Senioren und Ehrenmitglieder, die mir von Ihren Erfahrungen und Geschichten aus ihrer Zeit auf dem Dörnberg erzählt haben, darunter unser Ehrenmitglied Arnold Klapp.

Vergessen wir nicht: wir befinden uns auf dem zweitältesten, noch aktiven Segelfluggelände der Welt!

Genauere Information zu der Chronologie des Dörnbergs sind im vereinseigenen Buch: „50 Jahre Flugsportvereinigung Kassel-Zierenberg e.V.“ zu finden.

Text: Erik Stevens
Korrektur: K.-P. Herzog
Bilder: Vereinsarchiv
Datenarchiv: „Sammlung: Heinz Jordan“

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