Überland im April; mit im Cockpit

Veröffentlich am: 13.06.2025 | Rubrik: Segelflug

Welche Gedanken gehen einem Piloten beim Überlandfliegen durch den Kopf? Mit dieser Erzählung, im neuen Schreibformat, geben wir euch als Leser einen Einblick in diese Disziplin, aus Sicht des Piloten:

Beim Briefing hatte ich noch vor, ein großen Flug in Richtung Süden über die Röhn und zurück über Wetzlar zu fliegen, doch gegen Vormittag wird mir klar, dass dies heute nicht die optimale Flugrichtung sein wird. Außerdem war es schwer genug über dem Platz gutes Steigen zu finden und der Wind blies stark. Das Wetter ist nicht, was ich gehofft hatte. Erst am Nachmittag, nach mehreren erfolglosen Startversuchen, entscheide ich mich für eine kleinere Flugaufgabe in Richtung Osten, über Sontra und Hattorf.

Mit etwas Hilfe und Glück gelingt es mir endlich meine Abflughöhe zu erreichen, um Kurs auf den ersten Wendepunkt zu nehmen, doch viel Zeit bleibt für die Aufgabe nicht mehr. Nach dem Kasseler Becken wird es deutlich bergiger, was die thermischen Bedingungen verändert. Die Thermik ist variabel aber in nicht allzu großen Abständen zu finden, und ich steige bis auf 1400m über Grund. Nach dem ersten Wendepunkt bei Sontra komme ich gut voran. Weiter nördlich, hinter dem Thüringer Becken, sehe ich den Harz, vor dem mein letzter Wendepunkt liegt. Dort angekommen merke ich, dass der Nachhauseweg nicht leicht wird.

Über dem Harz sind die Wolken noch stark ausgeprägt, doch in Richtung Süd-West ist nur ein blaues Loch, ohne sichtbare Thermik und genau in dieser Richtung liegt mein Heimweg zum Dörnberg. Ich überfliege meinen letzten Wendepunkt bei Hattorf. Meine aktuelle Höhe ist noch komfortabel, um ein gutes Stück weiter zu gleiten, doch wenn ich keine Thermik finde, werde ich spätestes nach Göttingen außen landen müssen. Wegen der fehlenden Wolken habe ich am Himmel keine Indikatoren für Thermik, weshalb ich mich viel mehr auf die Beschaffenheiten der Landschaft konzentrieren muss, um nach möglichen Ablösepunkten für Thermik zu suchen. Deshalb verringere ich meine Geschwindigkeit, um meinen Gleitpfad zu strecken und mehr Chancen zu haben.
Ich schaue was vor mir liegt: Die Landschaft ist relativ flach bis auf den Staufenberg. Es sind genügend große Felder in Flugrichtung, die gute Möglichkeiten für eine Außenlandung bieten. Göttingen ist nun querab links von mir. Zweimal habe ich mich jetzt schon bei Anzeichen von Steigen vertan und meine Höhe wird immer weniger.

Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es ein paar Kilometer weiter: Ein Steinbruch - der verbessert meine Aussicht auf Thermik erheblich!
Jetzt bin ich nur noch 400m über dem Boden. Vor mir sind mehrere geeignete Außenlandefelder, die ich gut im Auge behalte, falls ich in den nächsten paar Minuten kein Steigen finde.
Ich fliege leicht versetzt über dem Steinbruch und fokussiere meine Sinne. Dann drückt es mich leicht nach oben. Einen Augenblick später zeigt das Variometer einen positiven Steigwert an, ich spüre wie meine linke Fläche nach oben gedrückt wird und ich kreise entsprechend nach links ein. Der Steigwert ist nur knapp 1m/s, aber er bleibt konstant. Ich gewinne mit Geduld gute 300m an Höhe, bevor der Bart nachlässt und ich weiterfliegen muss. Es ist immer noch nicht genug, um es nach Hause zu schaffen, obwohl ich den Dörnberg am Horizont schon längst erkenne. Nur etwas weiter finde ich zum Glück einen weiteren Bart, mit etwas besserem Steigen. Der Flugrechner gibt an, dass ich endlich genug Höhe habe, um nach Hause zu kommen. Der Endanflug kann endlich beginnen, aber ich werde noch die Kontrollzone des Flughafens Kassel durchfliegen müssen. Ich wechsele die Frequenz und bitte den Fluglotsen im Tower um Freigabe und befolge seine Anweisungen genau. Nur ein paar Minuten später habe ich es durch die Kontrollzone geschafft und melde mich mit „vielen Dank“ beim Tower ab. Und endlich ist der Dörnberg direkt vor mir und ich kann nun voll aufatmen, um dem Betriebsleiter mitzuteilen: „Dörnberg Start, E4, zurück am Platz.“ Nach 3½ Stunden Flugzeit setze ich mit 210km erfolgter Flugstecke zur Landung an. Ein erfolgreicher Flugtag geht glücklich zu Ende.

Autor und Bilder: Erik Stevens
Korrektur: K.-P. Herzog

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